Die nächsten großen Themen der EU-Taxonomie: Biodiversität, Abfall, Wasser und Umweltverschmutzung

Clementine Tanguy
Date07 Dezember 2022

Europa wird seine Klimaziele für 2030/2050 nicht erfüllen können, solange finanzielle Investitionen nicht gezielt für nachhaltige Projekte und Aktivitäten eingesetzt werden.

Bei der EU-Taxonomieverordnung geht es darum, ein gemeinsames Klassifizierungssystem zu schaffen, um die Energiewende zu fördern und Kapitalflüsse gezielt zu erneuerbaren und grünen Investitionen zu steuern. Die beiden ersten Ziele der Verordnung – Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel – haben dabei zunächst die oberste Priorität und spielen eine zentrale Rolle für die Entscheidungsfindung der Europäischen Kommission, von Mitgliedstaaten, lokalen Verwaltungen und Firmen etc.

In diesem Artikel sollen vor allem die übrigen vier Ziele näher betrachtet werden: Nachhaltige Nutzung von Wasser und von Meeresressourcen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Kontrolle von Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen. Es soll dargestellt werden, warum diese Ziele in gleichem Maße relevant sind wie die beiden klimaspezifischen Ziele.

Die EU-Taxonomieverordnung auf einen Blick

Die EU-Taxonomieverordnung wirkt wahrscheinlich auf den ersten Blick einschüchternd, selbst wenn man in der Materie steckt – sie umfasst schließlich jetzt schon mehr als 1.000 Seiten, denen noch weitere folgen sollen. In ihrem Kern bildet sie ein Klassifizierungssystem für wirtschaftliche Aktivitäten, nach deren Definitionen und Regeln bestimmt werden kann, welche wirtschaftliche Aktivitäten als ökologisch nachhaltig vermarktet werden können. Ab 2022 müssen dadurch nämlich die meisten Finanzinstitutionen und Nicht-Finanzunternehmen in der EU die ökologische Nachhaltigkeit ihrer Geschäftsaktivitäten belegen, was ein bedeutsamer Schritt ist.

Siehe auch: Die grüne Taxonomie in 7 Fragen verstehen

Durch die Verordnung soll v. a. „Greenwashing“ (Grünfärberei) verhindert werden, also dass Organisationen die Umweltfreundlichkeit ihrer Aktivitäten übertreiben oder fingieren, z. B. in Form von sogenannten „umweltfreundlichen Investmentprodukten“. Die Verordnung soll es den Marktteilnehmern ermöglichen, mit mehr Klarheit und Vertrauen transparente und nachhaltige Anlagen zu identifizieren und in diese zu investieren.

Der enge Zeitplan, die Komplexität und der Detailreichtum der EU-Taxonomieverordnung bedeuten für Unternehmen, dass diese sich so bald wie möglich um die Einhaltung der EU-Taxonomie kümmern sollten. Gründe für die Einhaltung der Verordnung sowie deren allgemeine Implikationen und Struktur haben wir bereits in einem früheren Artikel ausführlich beschrieben. („Wie kann ich die EU-Taxonomie einhalten?“)

Bisher hat die Europäische Kommission in der Taxonomie besonders die Ziele im Bereich Klimaschutz hervorgehoben und priorisiert. Dies hatte zwar gute Gründe, aber es führte zu einer Vernachlässigung der übrigen vier Umweltziele. Im Folgenden wollen wir deren Implikationen genauer erklären und zeigen, warum es wichtig und vorteilhaft ist, auch die übrigen Ziele so bald wie möglich anzupacken.

Die „Taxo4“

Um als „grün“ anerkannt zu werden, muss eine Aktivität signifikant zu einem von sechs Umweltzielen beitragen und darf keinem der übrigen fünf Ziele widersprechen (bzw. es „erheblich beeinträchtigen“). Bisher wurden am 4. Juni 2021 lediglich die Bewertungskriterien für die ersten beiden Umweltziele formalisiert und schließlich am 1. Januar 2022 implementiert. Das Reporting hat bereits begonnen, da Finanzinstitutionen die entsprechenden Kriterien seit dem 1. Januar 2022 einhalten müssen. Für Nicht-Finanzunternehmen beginnt die Frist im Laufe des Jahres 2022. Die technische Arbeitsgruppe hat im August 2021 einen Bericht vorgelegt und dann am 30. März 2022 aktualisiert, in dem die technischen Bewertungskriterien für die übrigen vier Umweltziele, die „Taxo4“, ausgearbeitet wurden, die dann ab dem 1. Januar 2023 gelten werden. Zunächst lag der Fokus der EU-Kommission auf den Zielen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, was sich auch in den offiziellen EU-Klimazielen und in der EU-Klimapolitik widerspiegelt. Daher wurden auch bei der Erstellung der Bewertungskriterien der Taxonomieverordnung Wirtschaftsaktivitäten zur Abschwächung des Klimawandels und zur Anpassung an ihn priorisiert.

  • Ziel 3: Wasser und Meeresressourcen

Das Sicherstellen einer gesunden und nachhaltigen Nutzung von Wasser und Meeresressourcen ist essenziell für die Stabilisierung von Klima und Wetter und für die Lebensgrundlagen des Menschen.

  • Ziel 4: Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft

Die Kreislaufwirtschaft bildet ein resilientes System, dass uns die Mittel verleiht, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern. Eines ihrer zentralen Prinzipien ist es, Rohstoffe und Produkte so lange wie möglich zu recyclen, wiederzuverwenden, zu reparieren, zu renovieren und zu teilen (Recycle, Reuse, Repair, Refurbish and Share). Dabei gelten drei Grundprinzipien: Eliminierung von Abfall und Umweltverschmutzung, Zirkulation von Produkten und Rohstoffen (zu ihrem höchsten Wert) sowie eine Regeneration der Natur. Dadurch können Treibhausgasemissionen, Abfall und Umweltverschmutzung verringert werden.

  • Ziel 5: Vermeidung von Umweltverschmutzung

Bei diesem Ziel geht es um dringende Maßnahmen, um die Einleitung von Schadstoffen und Verschmutzungen in Atmosphäre, Wasser, Boden, Lebewesen und Lebensmittel über bestimmte Schwellen, hinauszuverhindern und so Schäden und nachteilige Veränderungen des Ökosystems zu verhindern. Dies schließt die Wiederherstellung und Sanierung von Ökosystemen, Böden, Gebäuden sowie Abfallmanagement, die Beseitigung von Verschmutzungen und die Zerlegung von Produkten am Ende ihres Lebenszyklus ein.

  • Ziel 6: Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

Die Erhaltung, die Wiederherstellung und der Schutz der Funktionen von Ökosystemen sind essenziell für das Wohlergehen von Menschen und Tieren.

Sich überschneidende Ziele

Auch wenn es sich um sechs getrennte Ziele handelt, gibt es einige Überschneidungen zwischen ihnen. Laut der Plattform (Platform on Sustainable Finance) gibt es Synergien zwischen den nicht klimabezogenen Zielen und deren gegenseitigen Auswirkungen. Das zeigt sich zum Beispiel bei den Zielen Klimaschutz und Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung: Beide Ziele haben Überschneidungen bei Wirtschaftsaktivitäten zur Senkung von Emissionen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Ähnliche Überschneidungen gibt es auch zwischen den Zielen zum Schutz von Ökosystemen und dem zu Wasser und Meeresressourcen. Daher kann der Übergang zu einer Netto-Energiebilanz von Null nur dann als wirklich nachhaltig betrachtet werden, wenn ein ganzheitlicher Ansatz genutzt wird und genau das ist der Grund für die thematisch breite Aufstellung der EU-Taxonomie.

Auswirkungen auf den Immobiliensektor

Im Bereich Immobilien und Bauwesen betrifft die Verordnung Aktivitäten wie den Bau, die Renovierung, den Kauf und die Verwaltung von Gebäuden. Für die Einhaltung der Taxonomieverordnung im Bereich der Ziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel wurden spezifische Bewertungskriterien für Wirtschaftsaktivitäten ausgearbeitet.

Im Bauwesen zielt sie darauf, dass für neue Gebäude, Renovierungsarbeiten, Immobilienkäufe und -eigentum klar definierte Taxonomie-Kriterien (Schwellwerte/ „thresholds“) gelten. Das ist besonders für den gewerblichen Immobiliensektor relevant, da damit Gebäude in Immobilienportfolios mit grünen Anleihen klassifiziert werden können. Weiterhin dient die Taxonomieverordnung dazu, die Beiträge des Immobilien- und Bausektors in Hinblick auf die europäischen Klimaziele zu optimieren. Dies lässt sich durch die Umwandlung und Nachrüstung bereits bestehender Gebäude sowie durch den Neubau von Gebäuden zu einem Null-Kohlenstoff-Standard erreichen. Eines der größten Hindernisse ist es dabei, dem andauernden Kreislauf von Abriss und Neubau zu entgehen. Die Emissionen von Gebäuden setzen sich aus zwei Elementen zusammen: Zum einen sind dies die Emissionen, die durch den alltäglichen Betrieb eines Gebäudes entstehen: Energie, die für Beleuchtung, Beheizung oder Klimatisierung von Wohngebäuden, Büros und Geschäften benutzt wird. Der andere Teil ist „verkörperter Kohlenstoff“ (embodied carbon), d. h. die Emissionen die durch den Bau, die Wartung und Abrissarbeiten entstanden sind. Weiterhin werden Immobilienunternehmen damit in Zukunft zur Einhaltung ehrgeiziger Ziele im Bereich Wasserverbrauch sowie Umweltverschmutzung verpflichtet.

Nach dem Bericht der Platform on Sustainable Finance liegt bei Neubauten und Renovierungsarbeiten das Hauptziel darin, dass diese zur Kreislaufwirtschaft beitragen. Deswegen sind für Unternehmen im Immobiliensektor vor allem Ziel 1 (Klimaschutz), Ziel 2 (Anpassung an den Klimawandel) und Ziel 4 (Kreislaufwirtschaft) relevant.

Die ersten Bewertungskriterien dazu, die die technische Arbeitsgruppe erstellt hat, schließen Folgendes ein: (Sie müssen allerdings zunächst noch formell durch einen delegierten Rechtsakt in Kraft treten.)

Für Neubauten und für die Renovierung von bestehenden Gebäuden:

  • 90 % Wiederverwendung bzw. Recycling von Bau- und Abrissschutt;
  • 50 % Verwendung von wiederverwendeten, recycelten oder erneuerbaren Rohstoffen aus verantwortungsvoll bewirtschafteten Quellen;
  • Verpflichtende Lebenszyklusanalyse der Umweltauswirkungen des gesamten Gebäudes (Neubau) bzw. der Renovierungsarbeiten;
  • Anwendung von Bauplänen und -techniken, die für die Kreislaufwirtschaft förderlich sind.

Für die Renovierung von bestehenden Gebäuden:

  • 50 % des ursprünglichen Gebäudes müssen erhalten bleiben.

Deepki hilft Ihnen bei der Offenlegung von grünen Investitionen

Da zwischen den sechs einzelnen Umweltzielen zahlreiche Überlappungen und Wechselwirkungen bestehen, empfiehlt Deepki zunächst, dass Sie sich einen Überblick über die Umweltziele verschaffen, die für Ihr Geschäft relevant sind. Dies erspart unnötige Zusatzarbeit, erleichtert die Arbeit zur Anpassung an die Verordnung und bringt Ihnen direkte Einblicke in die Felder, die von mehreren Umweltzielen gleichzeitig abgedeckt werden. Vergleichbare und zuverlässige Daten sind zum Erreichen von grünen Investment-Zielen unerlässlich. Dafür bieten wir unsere zentralisierte Plattform, Deepki Ready, an. Diese kann Ihre Daten schnell sammeln, aggregieren und zur Erhöhung der Effizienz auswerten. Auf diese Weise kann Deepki Ready aus den Daten erkennen, welche Umweltziele für Ihr Portfolio am besten passen.

Die EU-Verordnung wird auf Erdgas und Kernenergie ausgeweitet

Am 6. Juli 2022 hat das Europäische Parlament in einer Plenarabstimmung das Vorhaben der Europäischen Kommission gebilligt, auch Erdgas und Kernenergie in die Taxonomie mit aufzunehmen. Der „ergänzende, delegierte Taxonomie-Rechtsakt“ (Taxonomy Complimentary Climate Delegated Act (CDA)) legt fest, dass auch Kernenergie und Erdgas-Projekte als grüne Investitionen behandelt werden können, und tritt voraussichtlich am 1. Januar 2023 in Kraft. Auch wenn Umweltorganisationen Vorbehalte gegen diese Entscheidung hatten, hielten die Entscheidungsträger an der Haltung fest, dass diese Energieträger für eine Übergangszeit eine Rolle zur Erfüllung der Klima- und Umweltziele der EU spielen und derzeit noch investitionsbedürftig sind.

Die EU-Taxonomie wurde auch als Grundlage für den EU-Standard für grüne Anleihen verwendet und wird wohl auch in Zukunft für andere Vorhaben als breit gefasste Richtlinie dienen. Gleichzeitig kann der Fokus bei diesem Streifzug durch die EU-Taxonomieverordnung nicht nur auf den Unternehmen liegen.

Steigende Bevölkerungszahlen und wachsender Wohnungsbedarf bedeuten, dass die verbaute Fläche schneller wächst, als es Anstrengungen für besseren Klimaschutz und zur CO₂-Reduktion ausgleichen könnten. Das bedeutet, alle Akteure im Immobilien- und Bausektor müssen in diesen Prozess mit eingebunden werden und zu akkurater, unternehmerischer Transparenz angehalten werden.