Mehr als nur nachhaltiges Bauen: Die Berücksichtigung sozialer Aspekte in ESG-Praktiken

Clementine Tanguy
Date17 Juli 2024

Angesichts der zunehmenden Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen, ihrer Bestrebungen zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks und der Förderung des Wohlbefindens der Immobiliennutzer nimmt auch die Nachfrage nach Zertifizierungen von weit verbreiteten Standards wie BREEAM, LEED und Green Star sowie spezialisierteren Programmen wie AirRated kontinuierlich zu. Diese Zertifizierungen konzentrieren sich zwar hauptsächlich auf Umweltaspekte, doch es zeichnet sich ein deutlicher Wandel im Bereich des nachhaltigen Bauens ab. So weitet sich der Fokus auf soziale Aspekte innerhalb der ESG-Praktiken aus und die Auswirkungen, die die gebaute Umwelt auf das Wohlbefinden ihrer Nutzer haben kann, wird zunehmend anerkannt.

Verständnis für die Bedürfnisse der Nutzer

Neben Zertifizierungen und Gütesiegeln, die soziale Aspekte fördern, ist es wichtig zu verstehen, was das Leben der Nutzer in der Immobilie ausmacht. In der Immobilienbranche bezeichnet der Begriff „Nutzer“ jede natürliche oder juristische Person, die eine Immobilie nutzt, sei es als Eigentümer, Mieter oder Besucher. Während der Eigentümer der Rechtsinhaber der Immobilie ist, ist der Nutzer die Person, die physisch anwesend ist und den Raum nutzt.

Das Wohlbefinden der Nutzer innerhalb einer Immobilie hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die ihre Lebensqualität beeinflussen. Dazu zählen Gesundheit und Komfort, Sicherheit, Barrierefreiheit und die Beziehungen zwischen Mietern und Vermietern.

Der kurz- und langfristige soziale Wert, den die gebaute Umwelt für die Nutzer bietet, ist kein neues Konzept. Dennoch haben viele Immobilienunternehmen mit dem Konzept zu kämpfen, da es oft nicht im Mittelpunkt ihres Kerngeschäfts steht. Während sie also ihre ESG-Ziele verfolgen, werden soziale Aspekte oft weniger priorisiert. In diesem Blogbeitrag untersuchen wir, wie diese Unternehmen ihre sozialen Ambitionen durch die Verwendung von Zertifizierungen und Gütesiegeln in konkrete Strategien umsetzen können.

Zertifizierungen zur Förderung sozialer Aspekte

Die Definition von nachhaltigem Bauen umfasst die Untersuchung gekennzeichneter und zertifizierter Strukturen. Zertifizierungen wie LEED spielten in der Vergangenheit eine entscheidende Rolle bei der Förderung nachhaltiger Praktiken, und entwickeln sich nun zu einem breiteren Bewertungsspektrum, das über die Energieeffizienz hinausgeht.

Seit einigen Jahren betonen Befürworter des nachhaltigen Bauens, dass effiziente, nachhaltige Immobilien nicht nur niedrigere Energiekosten aufweisen, sondern auch das Wohlbefinden der Nutzer und die Produktivität der Mitarbeiter steigern. Diese nachhaltigen Eigenschaften erhöhen somit ebenfalls den Wert einer Immobilie auf dem Immobilienmarkt.

Gütesiegel und Rahmenwerke 

In ganz Europa gibt es eine Reihe von Gütesiegeln und Rahmenwerken zur Förderung nachhaltiger und sozial verantwortlicher Praktiken im Immobilienbereich. Gütesiegel wie BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method), HQE (Haute Qualité Environnementale) und DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) legen den Schwerpunkt auf ökologische und soziale Aspekte und stellen sicher, dass Immobilien unter Berücksichtigung des Wohlergehens der Nutzer geplant und betrieben werden. Die globale Zertifizierungslandschaft für nachhaltiges Bauen umfasst Rahmenwerke wie Well, Osmoz, HQE und Label LA Accessibilité, die jeweils einen starken Fokus auf Gesundheit, Energieeffizienz und Barrierefreiheit legen. Diese Gütesiegel und Rahmenwerke bilden zusammen mit etablierten Standards wie LEED und BREEAM ein umfassendes Ökosystem, das die breiteren sozialen Auswirkungen von Immobilien berücksichtigt.

Gütesiegel Gesundheit & Immmobiliennutzer

BREEAM

BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) stammt aus Großbritannien und ist ein umfassendes System zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Immobilien in verschiedenen Kategorien. Dazu gehören Energie, Flächennutzung und Ökologie. BREEAM ist bekannt für seine ganzheitliche Bewertung, die den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie berücksichtigt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Integration nachhaltiger Praktiken in der Planungs-, Bau- und Betriebsphase.  

Certification Bac

Die Zertifizierung bewertet die Barrierefreiheit für alle Menschen mit Behinderungen anhand von 82 Kriterien. Als Grundlage dient das öffentliche ERP Gütesiegel, das an französische Einrichtungen vergeben wird.

HQE


Das aus Frankreich stammende Gütesiegel HQE (High Quality Environmental Standard) gibt einen Rahmen für nachhaltiges Bauen vor und konzentriert sich auf Bereiche wie Energie, Wasser und Abfallmanagement.

LA accessibilité

Das französische Gütesiegel basiert auf sechs Kriterien, um Menschen mit und ohne Behinderung gerecht zu werden: leichter Zugang, einfache Nutzung, Sicherheit, akustischer Komfort, visueller Komfort, langfristige Berücksichtigung der Bedürfnisse der Nutzer.

Osmoz

Osmoz ist ein französisches Gütesiegel, das sich auf die Umweltleistung und Energieeffizienz beim Bau und bei der Renovierung von Immobilien konzentriert. Osmoz steht im Einklang mit dem Engagement des Landes für nachhaltige Entwicklung und legt dabei den Schwerpunkt auf Ressourceneffizienz und geringe Umweltauswirkungen.

WELL

Die Well-Zertifizierung konzentriert sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Nutzer. Sie bewertet Faktoren wie Luftqualität, Wasserqualität, Ernährung, Beleuchtung, Fitness und Komfort, um ein Umfeld zu schaffen, das die menschliche Gesundheit fördert. Die Well-Zertifizierung ist ein Beleg für Gebäudegestaltung, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht. Dies trägt zur Steigerung der Produktivität, der Zufriedenheit und des allgemeinen Wohlbefindens der Immobiliennutzer bei.

Rahmenwerke zur Berichterstattung

  • Leitfaden (EN) zur Umsetzung von Gesundheit und Wohlbefinden

Sechs Grundsätze unterteilt in 20 Maßnahmen mit einer zugehörigen Checkliste für jede Phase des Lebenszyklus der Immobilie.

Global ESG Framework mit zwei Kriterien für Gesundheit und Sicherheit.

Globaler ESG-Rahmen mit fünf Kriterien für Gesundheit und Komfort und sieben Kriterien für die Mieterbeziehungen.

Gütesiegel aus den Vereinigten Staaten

Das aus den Vereinigten Staaten stammende LEED-Siegel ist ein weltweit anerkanntes Zertifizierungssystem. Es bewertet Gebäude anhand von Kriterien wie Energieeffizienz, Wasserverbrauch, Materialauswahl und Umweltqualität in Innenräumen. Die LEED-Zertifizierung steht für ein Engagement für hohe Umweltstandards, die Energieeinsparungen und geringere Umweltauswirkungen fördern. Der ganzheitliche Ansatz umfasst neben ökologischen auch soziale Aspekte.

Diese Gütesiegel, Zertifizierungen und Rahmenwerke bilden gemeinsam ein vielfältiges Ökosystem, das unterschiedliche Perspektive integriert. Während LEED und BREEAM die globale Bühne der Nachhaltigkeitszertifizierungen dominieren, konzentrieren sich Well, Osmoz, HQE und Label LA Accessibilité besonderen Fokus auf Gesundheit, Energieeffizienz und Inklusion.


LEED und andere Gütesiegel sind nicht nur für ihre Beiträge zur ökologischen Nachhaltigkeit anerkannt, sondern werden zunehmend auch als Katalysatoren für sozialen Wandel im Immobiliensektor betrachtet. Die Zertifizierungen signalisieren, dass eine Immobilie nicht nur hohe Umweltstandards erfüllt, sondern auch die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Inklusion ihrer Nutzer priorisiert.

Die Messung des S in ESG

Im April 2023 veröffentlichte JLL einen Bericht (EN) mit dem Titel „Responsible Real Estate: Delivering Environmental and Social Impact through the Built Environment“. Der Bericht basiert auf einer globalen Umfrage unter 804 Unternehmensentscheidern in 12 wichtigen Märkten weltweit, die zwischen Juni und September 2022 durchgeführt wurde. Die Stichprobe ist repräsentativ für drei Regionen, Branchen und Unternehmensgrößen. Eines der Hauptprobleme bei der Förderung sozialer Werte sind „fehlende konsistente und validierte Daten und/oder standardisierte Berichterstattung„.

Da leistungsorientierte Systeme immer beliebter werden, ist der kontinuierliche Zugang zu guten Daten von entscheidender Bedeutung. Soziale Aspekte stellen eine große Herausforderung für die Forschung dar und müssen für Investoren, die ESG-Faktoren priorisieren, klarer werden. Trotz dieser Komplexität nehmen die mit sozialen Aspekten verbundenen Risiken und Chancen zu, was Investoren dazu veranlasst, effektive Wege zur Bewältigung dieser Herausforderungen zu finden.

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Ökologische und soziale Ziele in Einklang bringen

Die Entwicklungen im Bereich des nachhaltigen Bauens überschreiten traditionelle Grenzen. Die Integration sozialer Aspekte in ESG-Praktiken stellt einen Paradigmenwechsel dar, der über die Energieeffizienz hinausgeht und sich auf das ganzheitliche Wohlbefinden der Gebäudenutzer konzentriert.

Durch die Vereinbarkeit von ökologischen und sozialen Zielen hat die gebaute Umwelt das Potenzial nachhaltig positive, soziale Auswirkungen zu erzielen. Unternehmen müssen nun die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit schließen.Dieses Thema ist für Deepki von großer Bedeutung: Derzeit fordert Deepki aktiv die ESG-Strukturen seiner Kunden heraus, um soziale Aspekte innerhalb ihrer Assets voranzutreiben und sie mit internen Benchmarks oder Markterwartungen in Einklang zu bringen. Darüber hinaus engagiert sich Deepki in einem kollaborativen Prozess, um ESG-Strukturen zu entwickeln, die die Lebensqualität und die Erfahrungen der Nutzer berücksichtigen.

Konkrete wirtschaftliche Auswirkungen

Im Kontext des aktuell massiven Rückgangs bei Immobilientransaktionen kann die Verbesserung der ökologischen und sozialen Aspekte von Assets ein wirksamer Hebel sein, um deren Wert zu steigern sowie eine höhere Miete zu generieren.

Aktuelle Studien zeigen, dass Gewerbeimmobilien mit Nachhaltigkeitszertifizierungen umso höhere Mietpreise erzielen. Laut CBRE (EN) ist die Berücksichtigung von Umweltzertifizierungen bei Immobilien ein wichtiger Faktor, der Immobilientransaktionen positiv  beeinflussen kann. Dies gilt insbesondere für Europa und den asiatisch-pazifischen Raum, in denen gesetzliche Vorschriften entsprechende Zertifizierungen vorschreiben. In den Vereinigten Staaten tragen Umweltzertifizierungen zu höheren Büromieten bei. Selbst unter Berücksichtigung von Faktoren wie Alter, Größe, Renovierung und Lage, erzielen LEED-zertifizierte Immobilien in der Regel einen Mietaufschlag von 3,7% gegenüber nicht LEED-zertifizierten Immobilien. In Europa liegt der Aufschlag mit 5,5 % für Bürogebäude mit Nachhaltigkeitszertifizierung sogar noch höher.

Letztlich wirkt sich nachhaltiges Bauen auf mehr als nur die Energieeffizienz aus, denn es beeinflusst das Wohlbefinden der Nutzer und trägt zu höheren Mietpreisen und Belegungsraten auf dem Immobilienmarkt bei. Investoren müssen sichere, gesunde und umweltfreundliche Immobilien schaffen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und den sich ständig ändernden Prioritäten der Nutzer gerecht zu werden.

Mit der interaktiven Karte von Deepki können Sie die Gütesiegel, Rahmenwerke und Initiativen genauer erkunden. Die Karte fasst die wichtigsten globalen Regulierungsinitiativen zusammen, die dazu beitragen, die Zukunft von Immobilieninvestitionen zu gestalten.